Über Beaufort 21

Beaufort 21 ist von sozialer Dynamik durchdrungen. Jetzt, wo die Grenzen des Ökosystems in Sicht sind, werden wir zunehmend mit unseren Grenzen des Menschseins konfrontiert. Das vorherrschende Bild mit dem Menschen an der Spitze der Pyramide gilt nicht mehr und ein Wendepunkt in unserem Verhältnis zur Natur steht kurz bevor.

Angesichts des steigenden Meeresspiegels zeigt sich die veränderte Beziehung zur Natur am eindringlichsten an der Meeresküste. Während die Hochhäuser entlang der Küste die Frage aufwerfen „Wie hat der Mensch die Küste verändert?", dreht Beaufort den Spieß um und konzentriert sich auf die Frage „Wie hat die Küste die menschliche Geschichte verändert?“ Diese Perspektive scheint nach einem Jahr globaler Pandemie angemessener zu sein. In Beaufort 21 treten die Kunstwerke in einen Dialog mit ihrer Umgebung und werfen ein neues Licht auf bekannte Orte, wobei vor allem die Naturgeschichte in den Vordergrund rückt.

Die Geschichte der gesamten Großregion ist eng mit der Nordsee verflochten. So ist die Flut in der Bezeichnung „Flandern“ präsent, abgeleitet vom germanischen „flaumaz“, was „Überflutung“ bedeutet, weil das Küstengebiet zwischen dem 3. und 8. Jahrhundert zweimal täglich überflutet wurde. Das Meer spielte also bei der Namensgebung der zweisprachigen Grafschaft Flandern eine entscheidende Rolle. Außerdem ist die Entwicklung von Brügge und später Antwerpen zu Weltstädten hauptsächlich dem Seehandel zu verdanken. Aus Norwegen, dem Baltikum oder Italien brachte uns die Nordsee nicht nur Wissen und Wohlstand, sondern auch Kunstformen der Renaissance, die die flämischen Künstler*innen weiterentwickelten.

Zugleich ist die Nordsee eines der unberechenbarsten Meere der Welt. Sie entstand „erst“ vor 8000 Jahren, nachdem die Flusslandschaft des Doggerlands von einem Tsunami verschlungen wurde. Ihr launischer Charakter ist für immer im Namen „Ostende“ festgelegt, dem „östlichen Ende“ der Halbinsel Testerep, die während eines schweren Sturms im 14. Jahrhundert teilweise vom Meer verschlungen wurde.

Im Einklang damit wird der Meeresboden bei Beaufort 21 in den öffentlichen Raum einbezogen. Überreste von Schiffen, die aufgrund von Stürmen und Kriegshandlungen auf den Meeresgrund gesunken sind, werden seit einigen Jahren als Kulturerbe anerkannt. In Analogie zu den heroischen Kriegsdenkmälern an Land bilden diese Schiffswracks unter Wasser neue Denkmäler, die andere Geschichten der Menschheit an der Küste erzählen. Sie enthüllen Elemente unserer Geschichte, die normalerweise übersehen werden, und bieten ein wahrheitsgetreueres, vollständigeres Bild der Vergangenheit. Dazu gehört auch „De Paardenmarkt“, ein unterseeische Munitionsmüllhalde aus dem Ersten Weltkrieg, die eine toxische Bedrohung für unser Ökosystem darstellt und Parallelen zu den dunkelsten Zeiten der Kolonialgeschichte aufweist.

Die Ausstellung bemüht sich um einen historischen Zugang zur Jetztzeit. Unser Blick auf die Vergangenheit ist durchdrungen von einseitigem Denken und überkommenen Vorstellungen. Eine Sichtweise, in der viele Stimmen fehlen und der Mensch sich für allmächtig hält. Die Kunstwerke lassen in Vergessenheit geratene Stimmen zu Wort kommen, mit Augenmerk auf alles, was lebt, und im Bewusstsein, dass die Menschen im Ökosystem verletzlich sind. Die Skulpturen von Beaufort 21 sind Denkmäler der anderen Art, die besser in die heutige Zeit passen.

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Die Frage "Wie hat der Mensch die Küste verändert?" wird bei Beaufort 21 auf den Kopf gestellt: "Wie hat die Nordsee den Menschen kontinuierlich verändert?"

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Heidi Ballet

„Das Thema von Beaufort 21 knüpft an die Auflage aus dem Jahr 2018 an. Ein wiederkehrendes Thema in den Kunstwerken ist dieses Mal, wie der Mensch dem Willen der Natur unterworfen ist. Wenn die Hochhäuser an der Küste gelegentlich die Frage „Wie hat der Mensch die Küste verändert?“ aufwerfen, so lautet die Frage nun umgekehrt: “Wie hat diese Küste den Menschen verändert?“ Diese Perspektive scheint nach einem Pandemie-Jahr passend zu sein“, so Heidi Ballet.

„Die Werke sind von lokalen Geschichten inspiriert, sowohl aus der Natur- als auch aus der Menschheitsgeschichte. Zudem betonen sie die Vergänglichkeit. In erster Linie die Vergänglichkeit von Mensch und Material, aber auch die wechselhafte Interpretation der Geschichte. Zu einer bekannten Geschichte werden immer mehr Stimmen hinzugefügt. Die Kunstwerke bewirken etwas Ähnliches. Sie aktivieren das Kollektivbewusstsein und bieten neue Perspektiven in einem vertrauten lokalen Kontext, so dass wir einen vertrauten Ort mit anderen Augen sehen.“

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2003

Beaufort wurde 2003 von Willy Van den Bussche, dem damaligen Direktor des Provinzmuseums für Moderne Kunst (PMMK) in Ostende, gegründet. Für die Ausgaben 2003 und 2006 fungierte er als Kurator. 

2006

Während dieser zwei Ausgaben wurden monumentale Kunstwerke im einzigartigen Dekor der Küste aufgestellt. Beispiele dafür sind die ikonischen Figuren Maman (die Spinne) von Louise Bourgeois in Ostende und Another Place, die Figuren von Antony Gormley am Strand von De Panne.

2009

2009 trat Phillip Van den Bossche die Nachfolge von Willy Van den Bussche als Direktor von Mu.ZEE (Museum, das aus der Verschmelzung des ehemaligen Museums der Schönen Künste mit dem PMMK hervorging) und als Kurator von Beaufort an. Er wählte Werke aus, die mit dem Meer, dem Kulturerbe, den Bewohnern und der Geschichte der Küste in Dialog traten.

2012

Auch 2012 sorgte Van den Bossche für die künstlerische Auswahl, in Zusammenarbeit mit dem Intendanten Jan Moeyaert von der VoG Ku(n)st, die seit 2003 für die Produktion der Ausstellung zuständig ist. Bei Beaufort 2012 lag der Fokus auf Europa.

2015

2015 wurden die Kunstwerke von einem Team von Kuratoren – Phillip Van den Bossche, Hilde Teerlinck, Lorenzo Benedetti und Patrick Ronse – ausgewählt. Unter dem Titel „Beaufort Beyond Borders“ fand Beaufort 2015 an drei auffälligen Natur- und Kulturerbestätten statt: dem „Zwin“ in Knokke-Heist, der Domäne Raversyde in Ostende und „De Nachtegaal“ in den Dünen von De Panne.

photo credit: A Dog Republic

2018

Bei Beaufort 2018 betrachtete die Kuratorin Heidi Ballet das Meer als Ort, der unkontrollierbar ist und uns gleichzeitig mit der restlichen Welt verbindet. Ein zugrundeliegendes Thema dieser Ausgabe war die Rolle dauerhafter Denkmäler.